Endlich Klarheit bei Referenzzins für Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen

BGH | Urteile vom 9. Juli 2024 - XI ZR 40/23 und XI ZR 44/23 

Mut zur Lücke? Was für manchen Schüler gängige Lernmethode, ist im Rechtsverkehr nicht immer hilfreich. Schon lange steht fest: Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen sind nichtig. Doch was gilt, wenn eine entscheidende Klausel zur Zinsanpassung nicht zählt? Wie ist die Lücke zu schließen? Die Unklarheit, wie der Referenzzins zu bestimmen ist, hat nun ein Ende.

Die Fälle

Über Jahre schlossen Sparkassen mit Verbrauchern Prämiensparverträge. Vereinbart war eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Jahr eine gestaffelte Prämie, ab Sparjahr Nr. 15 von bis zu 50 %.

Die Vertragsregelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes hielten Verbraucherschutzverbände für unwirksam; die errechnete Verzinsung sei außerdem zu niedrig. Deshalb erhoben sie Musterfeststellungsklagen gegen die Sparkassen. Im Fokus steht die Frage, wie ein Referenzzins zu bestimmen ist. Denn dieser ist für die von der Sparkasse vorgenommenen Zinsanpassung maßgeblich. In den Musterverfahren soll u.a. dies exemplarisch geklärt werden.

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Was ist der maßgebliche Wert, um den Zinssatz zu bestimmen? Hierzu stehen sich zwei Meinungen gegenüber:

Welche Meinung ist die Richtige?

Die Antwort des BGH

Meinung 1.

Die durch die Unwirksamkeit der Zinsanpassungklauseln entstandene Regelungslücke ist durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen.

Was gilt nicht?

Zu Recht sind die Oberlandesgerichte davon ausgegangen, dass der danach zu bestimmende Referenzzins nicht nach der Methode gleitender Durchschnitte zu berechnen ist, sog. Gleitzinsmethode. Bei deren Anwendung wären Sparer anders als erwartet bereits bei Vertragsschluss überwiegend an die Zinsentwicklung vergangener Jahre gebunden, da künftige Änderungen in den maßgeblichen Durchschnittszins nur entsprechend ihrem Zeitanteil einfließen. Sparer vergleichen bei ihren Entscheidungen bei der maßgebenden objektiv-generalisierenden Sicht den angebotenen variablen Zins mit dem gegenwärtigen durchschnittlichen Marktzins und nicht mit einem Zins, der sich aus überwiegend in der Vergangenheit liegenden Parametern berechnet. 

Auch sind die Oberlandesgerichte – anders als die Kläger – richtig davon ausgegangen, dass die Umlaufrenditen von Hypothekenpfandbriefen (Zeitreihe WX4260) als Referenzzins nicht in Betracht kommen. Diese Umlaufrenditen spiegeln trotz ihrer Besicherung durch Pfandbriefe nicht den „risikolosen“ Marktzins wider; sie enthalten einen Risikoaufschlag, der im Vergleich zu den Umlaufrenditen von Bundesanleihen zu einer vergleichsweise höheren Verzinsung führt.

Doch wie steht es mit der Risikobereitschaft des typischen Prämiensparvertrags-Sparers? Nicht vorhanden, so der BGH. Team Vorsicht zieht Brettspiele dem Bungee-Jumping vor. Und weil dies so ist, darf auch der Referenzzins keinen Risikoaufschlag enthalten.

Doch was ist dann der Maßstab?

Sie werden von der Deutschen Bundesbank als unabhängige Stelle nach einem festen Verfahren ermittelt und in deren Monatsberichten regelmäßig veröffentlicht. Sie begünstigen niemanden einseitig, weder Sparer noch Sparkassen. Sie spiegeln zudem die jeweils aktuellen risikolosen Zinsen am Kapitalmarkt wider und enthalten keinen Risikoaufschlag. Auch kommen die Restlaufzeiten der typisierten Spardauer bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe nach 15 Jahren hinreichend nahe. 

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