Ja oder nein? – Das ist die Frage. Liegt eine Anlageberatung vor, hat dies Auswirkungen auf das anwendbare Recht, Pflichten und Haftung des Beraters. Welche Kriterien erfüllt sein müssen, erläutert das BaFin-Merkblatt.


Fiktiver Fall: Seltene Oldtimer sollen es sein für Samuel Sammler. Um den privaten Fuhrpark um ein wertvolles Stück zu erweitern, wendet er sich an seine Bank. Karla Kompetent, zuständige Mitarbeiterin, vermittelt einen Kontakt zu dem renommierten Oldtimer-Händler Ole von Oldesloh, kümmert sich um die Formalitäten des Kaufs und erhält nach erfolgreichem Abschluss des Deals von Herrn von O. eine ordentliche Provision.
Anlageberatung – ja oder nein? Das hängt davon ab, ob die Kriterien der Anlageberatung erfüllt sind. Hierzu gibt die BaFin in einem Merkblatt vom Februar 2025 neun Hinweise, die hier kurz zusammengefasst werden.
1. Gesetzliche Definition der Anlageberatung
Nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG ist die Finanzdienstleistung als Anlageberatung
„die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (Anlageberatung)“.
Da die Anlageberatung auch als Wertpapierdienstleistung in § 2 Abs. 2 Nr. 4 WpIG (Gesetzes zur Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten) geregelt ist, gelten die Ausführungen der BaFin entsprechend.
Um eine Anlageberatung handelt es sich, wenn
- eine persönliche Empfehlung abgegeben wird, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten bezieht,
- die Empfehlung gegenüber Kunden oder deren Vertretern erfolgt,
- die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird, und
- die Empfehlung nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird.
2. Persönliche Empfehlungen, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen
Eine Empfehlung liegt vor, wenn dem Anleger zu einer bestimmten Handlung als in seinem Interesse liegend geraten wird. Ob der Empfehlung gefolgt wird, ist irrelevant. Bloße Informationen über das investierte Vermögen ohne konkrete Änderungsvorschläge sind keine Empfehlungen.
Geschäfte umfasst alle Rechtsgeschäfte, die die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten im Sinne des § 1 Abs. 11 KWG zum Gegenstand haben. Hierzu zählen insbesondere Kauf, Verkauf, Zeichnung, Tausch, Rückkauf oder Übernahme eines bestimmten Finanzinstruments.
Finanzinstrumente sind in § 1 Abs. 11 KWG und § 2 Abs. 5 WpIG legaldefiniert. Erfasst sind unter anderem Aktien, Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 des Vermögensanlagengesetzes, Schuldtitel, sonstige Rechte, Anteile an Investmentvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 des Kapitalanlagegesetzbuches, Geldmarktinstrumente, Devisen und Rechnungseinheiten sowie Derivate.
Eine Empfehlung bezieht sich auf bestimmte Finanzinstrumente, wenn der Dienstleister ein Finanzinstrument konkret benennt. Werden mehrere konkrete Anlagevorschläge unterbreitet, aus denen der Kunde auswählen kann, genügt das. An der Bestimmtheit fehlt es, wenn nur eine Art von Finanzinstrumenten (z.B. festverzinsliche Wertpapiere) empfohlen oder eine einzelne Branche genannt wird (z.B. „Technologieaktien“).
3. Empfehlung gegenüber Kunden oder deren Vertretern
Kunden können natürliche oder juristische Personen sowie Personengesellschaften sein. Gleiches gilt für professionelle oder institutionelle Kunden, da das Gesetz nicht danach entscheidet, ob der Kunde Spezialkenntnisse hat.
Empfehlungen können auch gegenüber Vertretern abgegeben werden. Die Empfehlung bezieht sich dann auf das Vermögen des Dritten (=Anleger). Der Vertreter ist Kunde, das Vertragsverhältnis besteht mit diesem.
4. Empfehlung auf Basis der Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers
Die Empfehlung muss eine persönliche sein; bedeutet, dass die Empfehlung entweder auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt (Fall 1) oder zumindest als für den Anleger geeignet dargestellt werden muss (Fall 2).
Fall 1 – Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers –liegt schon dann vor, wenn der Kunde den Dienstleister ganz allgemein über seine finanzielle Situation unterrichtet und der Dienstleister daraufhin bestimmte Finanzinstrumente empfiehlt. Auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers wird die Empfehlung gestützt, wenn der Dienstleister die erhaltene Information bei der Empfehlung berücksichtigt hat.
Bei Fall 2 – die Empfehlung wird vom Dienstleister lediglich als für den Anleger geeignet dargestellt – geht ein Kunde davon aus, dass die abgegebene Empfehlung der Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände beruht – auch wenn dies nicht so ist.
5. Keine Bekanntgabe der Empfehlung über Informationsverbreitungskanäle
Anlageberatung scheidet aus, wenn die Empfehlung ausschließlich über so genannte Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird. Dies ist gegeben, wenn sie geeignet und bestimmt sind, die Allgemeinheit (= individuell nicht bestimmbarer Personenkreis) zu erreichen.
Gemeint sind insbesondere Ratschläge, die in Presse, im Radio, Fernsehen, Internet, oder auf öffentlichen Veranstaltungen erteilt werden. Diese Ausnahme wird regelmäßig bei Werbemaßnahmen vorliegen.
6. Erlaubnispflicht
Wird die Anlageberatung gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbracht, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist eine Erlaubnis nötig.
Für die Gewerbsmäßigkeit muss der Betrieb der betreffenden Geschäfte auf gewisse Dauer angelegt sein und der Betreiber mit Gewinnerzielungsabsicht handelt. Hierfür genügt die Absicht; ob Gewinne erzielt werden, ist irrelevant.
7. Besonderheiten bei der Beratung in Bezug auf Investmentvermögen
Hier gibt es bestimmte Ausnahmen von der Erlaubnispflicht. Der Grund: Investmentvermögen sind standardisierter als andere Wertpapiere und die Institute oder Unternehmen ihrerseits, für die die Vermittlung erfolgt, unterliegen selbst der Aufsicht.
Click zum Beitrag | Kurz erklärt: Investmentvermögen nach dem KAGB
Gibt der Berater seinem Kunden persönliche Empfehlungen in Bezug auf Geschäfte über Investmentvermögen, ist für die Anlageberatung keine Erlaubnis nötig, sofern es sich bei dem potentiellen Vertragspartner des empfohlenen Geschäftes um eines der in § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 KWG der Vorschrift genannten Unternehmen handelt. Diese Unternehmen gelten nicht als Finanzdienstleistungsinstitute.
Allerdings steht es diesen Unternehmen frei, dennoch eine entsprechende Erlaubnis nach § 32 KWG zu beantragen. Mit der Erlaubnis fallen sie unter das KWG und das WpHG und können als Wertpapierhandelsunternehmen im Rahmen der Regelung des sog. „Europäischen Passes“ nach § 24a KWG Dienstleistungen unter den dort genannten Voraussetzungen grenzüberschreitend in andere Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums erbringen.
Click zum Beitrag | Grenzenlos dank EU-Pass – Europaweite Zulassung als Crowdfunding Dienstleister
8. Anlageberatung im Rahmen einer anderen beruflichen Tätigkeit
Unternehmen, die ausschließlich im Rahmen einer anderen beruflichen Tätigkeit Anlageberatung erbringen und sich diese nicht besonders vergüten lassen, gelten nicht als Finanzdienstleistungsinstitute.
9. Disclaimer der BaFin
Zu guter Letzt folgt der Hinweis, dass das Merkblatt nur grundlegende Informationen enthält und keine einzelfallbezogene Erlaubnisanfrage an die BaFin ersetzt.
Click zur BaFin | Merkblatt vom 10. Februar 2025 – Hinweise zum Tatbestand der Anlageberatung
Im Februar 2019 hatte die BaFin gemeinsam mit der Bundesbank bereits ein Informationsblatt hierzu veröffentlicht. Das Merkblatt vom Februar 2025 deckt sich im Wesentlichen mit diesem.
Click zur Bundesbank | Gemeinsames Informationsblatt zum Tatbestand der Anlageberatung
Click zum Beitrag | Mysterium Anlageberatung?
Zurück zum fiktiven Fall und der Eingangsfrage: Liegt eine Anlageberatung vor? Wer die Kriterien aufmerksam gelesen hat, wird wahrscheinlich Zweifel haben. Der Blick in die entsprechende Definition des § 1 Nr. 11 KWG erfordert zwar einige Aufmerksamkeit, doch schafft auch Klarheit. Ein Oldtimer ist keine Finanzdienstleistung, sondern ein Sachwert. Abgesehen vom Anlageobjekt erfüllt das Verhalten von Klara Kompetent nicht die Voraussetzungen der Anlageberatung, sondern deutet auf eine Anlagevermittlung hin. Anders läge der Fall, wenn Klara Kompetent sich ausführlich nach den Vermögensverhältnissen und Anlagezielen unseres Sammlers erkundigt und ihn umfassend zu einzelnen Anlagen beraten und ihm letztlich z.B. Aktien empfohlen hätte.
Weitere Informationen zu Thema
Was generell bei einer Anlageberatung zu beachten ist, ergibt sich aus einem Beitrag der BaFin vom 8. Oktober 2024. Dieser richtet sich zwar an Verbraucher, könnte aber auch für Banken, Sparkassen und Finanzdienstleister lesenswert sein.