Zustimmung zu AGB per Schweigen? Geht nicht, wissen Banken längst

BGH | Urteil vom 3. Juni 2025 – XI ZR 45/24

Stilles Einverständnis von Kunden bei Entgeltänderungen ist Vergangenheit. Der BGH hat erneut klare Grenzen gezogen und zum Beginn der Verjährungsfrist Stellung genommen.

Verbraucherzentrale Bundesverband gegen Sparkasse – hieß es bei der zugrundeliegenden Musterfeststellungsklage. Neben der Frage, ob Entgelte, erhoben auf Grundlage einer Zustimmungsfiktionsklausel und von Kunden über Jahre widerspruchsfrei gezahlt, behalten werden dürfen, ging es um die Frage, wann die Verjährungfrist für Rückforderungsansprüche zu laufen beginnt.

Der Fall und der bisherige Prozessverlauf

Zum 1. Dezember 2016 erhöhte die beklagte Sparkasse bei Bestandskunden die Entgelte für Girokonten mit Kontokorrent. Im September 2016 hatte sie die Kunden durch Übersendung eines Auszugs aus dem neuen Preis- und Leistungsverzeichnis informiert. Die Änderung stützte sie auf eine AGB-Klausel, wonach Änderungen als genehmigt gelten, sollte der Kunde nicht innerhalb von zwei Monaten widersprechen. Wörtlich hieß es dort:

[…] Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. […].“ (sog. Zustimmungsfiktionsklausel). 

Bereits in seinem Urteil vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20) stufte der BGH solche Klauseln als unwirksam ein.

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Kurz nach Verkündung des BGH-Urteils strich die Sparkasse die entsprechende Klausel aus ihren AGB; gegenüber Neukunden wurde sie demnach nicht verwendet.

Gegenüber Bestandskunden lehnte sie es ab, auf Basis der unwirksamen Klausel gezahlte Entgelte zurückzuzahlen. Argument: Die Kunden hätten über Jahre hinweg widerspruchslos gezahlt. Dies sei als konkludente Zustimmung zu werten.

Der Musterkläger, ein nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband, erhob Musterfeststellungsklage, u.a. mit folgenden Feststellungszielen:

Die Zustimmungsfiktionsklausel der Musterbeklagten ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.  

Die Musterbeklagte hat von Verbrauchern alle Entgelte bzw. Gebühren im Zusammenhang mit der Führung und Nutzung eines Girokontos ohne Rechtsgrund erhalten, soweit diesen Entgelten keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zugrunde liegt.

Hilfsweise: Die Musterbeklagte hat von Verbrauchern alle Entgelte im Zusammenhang mit der Führung und Nutzung eines Girokontos ohne Rechtsgrund erhalten, soweit der Erhebung dieser Entgelte eine Zustimmungsfiktion gemäß der Zustimmungsfiktionsklausel zugrunde liegt.

Die Musterbeklagte hat von Verbrauchern durch deren vorbehaltlose Hinnahme von Rechnungsabschlüssen ein Saldoanerkenntnis ohne Rechtsgrund erhalten, soweit diese Rechnungsabschlüsse Belastungen der Verbraucher mit Entgelten enthalten, für die kein Rechtsgrund besteht.

Die Musterbeklagte kann sich gegenüber Verbrauchern nicht deswegen auf eine konkludente Annahme bzw. Zustimmung zu den von der Musterbeklagten angebotenen Entgelten berufen, nur weil die Verbraucher ihre Konten weitergenutzt haben.

Es kann keine ergänzende Vertragsauslegung erfolgen, wonach Verbraucher das Fehlen eines rechtlichen Grundes für die Erhebung von Entgelten nicht geltend machen können, weil sie diese Entgelte nach Zugang der Abrechnungen nicht beanstandet haben.

Einfach ausgedrückt: Man kann die Verträge nicht so deuten, dass Verbrauchern der Einwand abgeschnitten ist, ohne Rechtsgrund Entgelt gezahlt zu haben, weil sie die Entgelte nicht beanstandet haben.

Eine Verjährung der Ansprüche von Verbrauchern auf Erstattung von Entgelten beginnt erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem Verbraucher Kenntnis von der Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten haben können.

Hilfsweise:  Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist beginnt frühestens mit dem Schluss des Jahres 2021 zu laufen.

Vor dem Kammergericht war der Musterkläger zum Teil erfolgreich.

Die Entscheidung

Der BGH hat nicht alle Feststellungsziele durchgewunken, insbesondere dort, wo Rechtsfragen bereits höchstrichterlich geklärt oder zu pauschal formuliert waren.

So verwundert es auch nicht, dass das Feststellungsziel 1 angesichts der Rechtsprechung vm 21. April 2021 als unzulässig bewertet wurde.

Der BGH hat klargestellt: Zustimmungsfiktionsklauseln gegenüber Verbrauchern sind unwirksam; für die Erhebung der Entgelte fehlte eine rechtliche Grundlage. Verbraucher können sich auch dann auf die Unwirksamkeit der Klausel berufen und das Entgelt zurückverlangen, wenn sie über drei Jahre widerspruchslos gezahlt haben Anders ausgedrückt: Die bloße Zahlung stellt keine konkludente Zustimmung dar, wenn die Entgelte auf einer unwirksamen Klausel beruhen. Die Feststellungsziele 3a, 4 und 6 sind daher begründet.

Feststellungsziel 5 wurde als unzulässig angesehen. Gegenstand sei eine nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Frage, die nicht im Rahmen eines Musterverfahrens geklärt werden könne.

Feststellungsziel 7 hatte den Beginn der Verjährungsfrist zum Gegenstand. Dieses war nach Ansicht des BGH unbegründet.

Maßgeblich sei die Dreijahresfrist des § 195 BGB. Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Wie oben ausgeführt haben die Kläger mit dem Feststellungsziel 7 folgende Feststellungen begehrt:

Eine Verjährung der Ansprüche von Verbrauchern auf Erstattung von Entgelten beginnt erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem Verbraucher Kenntnis von der Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten haben können.

Hilfsweise:  Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist beginnt frühestens mit dem Schluss des Jahres 2021 zu laufen.

Die Kläger stellen sich also auf den Standpunkt, dass für den Beginn der Verjährungsfrist Kenntnis der Unwirksamkeit der Klausel nötig ist, zumindest aber, dass der Verjährungsbeginn bis zum Urteil des BGH im April 2021 hinausgeschoben worden sei. Denn bis dahin sei die Rechtslage unsicher und zweifelhaft gewesen. Davon ausgehend beginne die Dreijahresfrist frühestens mit Schluss des Jahres 2021 zu laufen.

Der BGH hat beide Punkte anders beurteilt. Kenntnis von der Unwirksamkeit der Klauseln ist nicht nötig. Entstanden sind die Rückerstattungsansprüche der Verbraucher mit der Genehmigung der Saldoabschlüsse der Girokonten durch die Verbraucher (nach Ablauf der sechswöchigen Einwendungsfrist), nicht bereits mit Abbuchung.

Verbraucher hätten bereits vor dem zitierten Urteil Klage erheben können. Der vor diesem Urteil ergangenen Rechtsprechung ist nicht zu entnehmen, dass Zustimmungsfiktionsklauseln durch den BGH gebilligt werden. Seit jeher gilt der Grundsatz: Schweigen des Verwendungsgegners (= Adressat der AGB) zu einem Antrag auf Vertragsänderung ist nicht als Annahme zu sehen. Von diesem Grundsatz weicht eine Zustimmungsfiktionsklausel ab. Ferner zitiert der BGH ein Urteil vom 11. Oktober 20027 (III ZR 63/07), mit dem das Urteil vom 27. April 2021 auf einer Linie liege.

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