Die gute Nachricht: die Verfahren gehen weiter. Denn der BGH hat Revisionen zugelassen. In diesen geht es um die Frage der Haftung von Gründungsgesellschaftern einer Gesellschaft, die Immobilienfonds für den US-Markt emittierten. Die schlechte Nachricht: Wer auf Antworten gehofft hat, muss warten.
Die Fälle
Für den US-Markt planten Gründungsgesellschafter einer Publikumskommanditgesellschaft Immobilienfonds. Anleger konnten sich in den Jahren 2010 und 2011 beteiligten. Da sich die Fonds nicht wie erwartet entwickelten, verklagten Anleger die Gründungsgesellschafter. Diese seien – nach Ansicht der Anleger – zu Schadensersatz verpflichtet, weil im Prospekt nicht ausreichend über personelle und kapitalmäßige Verflechtungen aufgeklärt worden sei. In den unteren Instanzen hatten die Anleger Erfolg. Durch Beschlüsse vom 15. März 2022 und vom 21. März 2023 wurden die Revisionen vom BGH auf Beschwerden der Beklagten hin zugelassen.
In der Sache selbst ist noch nichts entschieden.
Die bisherige Rechtsprechung des BGH
Sie könnte konträrer nicht sein. Der II. und der XI. Senat urteilen hier seit Jahren gegenläufig. Der eine zugunsten der Anleger, der andere nicht.
Anlegerfreund II. Senat
Die bisherige Rechtsprechung des II. Senats lautet wie folgt:
Der Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung schließt eine Haftung der Altgesellschafter wegen Verletzung von Aufklärungspflichten nicht aus, wenn die Gesellschafter für die Aufklärung einen unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekt verwenden.
- Spezialgesetzliche Prospekthaftung meint § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung
- Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten meint allgemeine Regeln des Zivilrechts, §§ 280 Abs. 1 und 3, 282, 241 Abs. 2, 311 BGB
Kurz gefasst: Selbst wenn spezielle Gesetze gelten, ist eine Haftung nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln wegen Aufklärungsfehlern möglich.
Click zum BGH | Beschluss vom 25. Oktober 2022 – II ZR 22/22
Anlegerfeind XI. Senat
Dieser sieht die Sache anders. Nach seiner Rechtsprechung schließt die genannte spezialgesetzliche Prospekthaftung eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung nach den allgemeinen oben zitierten Normen aus, wenn die Gesellschafter für die Aufklärung einen unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekt verwenden.
Kurz gefasst: Gelten spezielle Gesetze, ist eine Haftung wegen der Verwendung eines unkorrekten Prospekts nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln wegen Aufklärungsfehlern nicht möglich.
Click zum BGH | Beschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18
Zwei Senate, zwei konträre Meinungen.
Es verwundert nicht, dass sich die Beklagten auf die Rechtsprechung des XI. Senats und die Kläger auf die des II. Senats berufen.
Wie geht es weiter?
Durch die eingangs genannten Beschlüsse hat der II. Senat die Revisionen zugelassen. Wie er dann entscheidet, wird sich zeigen. Wir sind gespannt.
Click zum BGH | Beschluss vom 15. März 2022 – II ZR 56/21
Click zum BGH | Pressemitteilung Nr. 56/2023 vom 22. März 2023