Darlehensnehmer kassiert doppelt: Bank zahlt zunächst die Darlehensvaluta und on top auch noch die Zinsen, sog. „Negativzinsen“. Nämlich dann, wenn es eine Vereinbarung und die Zinsentwicklung hergeben. Klingt komisch, wenn man sich den Normalfall des Darlehens vor Augen führt. Ist auch rechtlich nicht haltbar, hat der XI. Zivilsenat bei Schuldscheindarlehen entschieden.
Der Fall
2007 schlossen die Rechtsvorgängerin einer Bank (spätere Beklagte) und ein Land (späterer Kläger) einen „Darlehensvertrag“. Der Kläger gab die Konditionen vor. Nach Überweisung der vereinbarten Summe (Darlehensvaluta) stellte der Kläger der Beklagten Schuldscheine aus, alle gleichlautend über jeweils € 20.000,00.
Nach der Zinsformel ergab sich ab März 2016 ein negativer Wert – bis zum Laufzeitende ein Jahr später rund 160 T€.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte schulde ab dem Zeitpunkt, zu dem der Zinsaufschlag (“0,1175%”) betragsmäßig hinter dem negativen Referenzzinssatz (“3- Monats-EURIBOR”) zurückgeblieben war “Negativzinsen”. Begründung: In den Schuldscheinen sei nur eine Zinsobergrenze (“5,00%”), aber keine Zinsuntergrenze vereinbart worden. Und deshalb könne der Zins unter Null sinken mit der Folge, dass sich die Zahlungspflicht umkehrt; anders als im typischen Fall des Darlehens müsse nun die Bank Zinsen zahlen – rund 160 T€ nach den Berechnungen des Klägers.
Zusätzlich verlangt er Verzugszinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. In I. Instanz hatte der Kläger größtenteils obsiegt, in II. Instanz wieder verloren. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger das Ziel, das Urteil I. Instanz wiederherzustellen.
Das Urteil
Der Senat hat die Revision zurückgewiesen, weil die beklagte Bank nicht verpflichtet war, zusätzlich zur Darlehensvaluta noch weitere Zahlungen in Form von negativen „Zinszahlungen“ zu leisten.
Damit der Darlehensgeber gar nicht oder nur begrenzt negative „Zinsen“ zahlen muss, ist es angesichts der Zinsabrede nicht nötig, eine Zinsuntergrenze ausdrücklich festzulegen. Nach der Zinsabrede führt eine Änderung des genannten Referenzzinssatzes zu einer automatischen Veränderung des Vertragszinses, und zwar in dem durch den Zinsaufschlag und der Zinsobergrenze vorgegebenen Umfang.
Unter dem Begriff Zins – gesetzlich nicht definiert – versteht man das Entgelt, das der Darlehensnehmer dafür bezahlt, dass er zeitweilig überlassenes Kapital nutzen kann. Berechnet wird der Zins zeitabhängig, aber gewinn- und umsatzunabhängig. Ein Zins als Entgelt kann danach nicht negativ werden. Im Zinsbegriff selbst steckt die Untergrenze von null Prozent. Ist diese Untergrenze erreicht, muss der Darlehensnehmer keine Zinsen bezahlen. Eine Umkehr des Zahlungsstroms, sprich Darlehensgeber (= Bank) zahlt ausnahmsweise an den Darlehensnehmer (= Kunde) Zinsen, würde der Logik des Zinsbegriffs widersprechen.
BGH und OLG sind sich einig
OLG und BGH sind sich einig, dass zwischen den Parteien ein typischer Darlehensvertrag (§ 488 Abs 1 BGB) mit Zinsabrede bestand. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Einordnung war der Vertragsschluss.
Einen von diesem typischen Darlehensvertrag mit seinen typischen Pflichten abweichenden Vertrag wollten die Parteien nicht schließen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Zinsabrede und auch nicht aus der äußeren Form.
Denn die Vereinbarung eines variablen Zinssatzes und einer Zinsobergrenze ist nur Regelung über die Zinshöhe. Auch der Umstand, dass Schuldscheine ausgestellt wurden, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung des Vertrags. Der Wille der Parteien, einen Darlehensvertrag zu schließen, hat größeres Gewicht als die äußere Form.
Die Zinsklausel ist so zu verstehen, dass die beklagte Bank nicht die von der Klägerin errechneten rund 160 T€ „Negativzinsen“ zahlen musste. Der BGH begründet dies mit dem Zusammenspiel der Formulierungen der Einleitung, Ziffer 1 und Ziffer 6.
Eine Zahlungspflicht der Bank lässt sich auch nicht daraus konstruieren, dass im Unterschied zur Zinsobergrenze keine ausdrückliche Zinsuntergrenze vereinbart wurde. Eine solche Vereinbarung fehlt, weil die Parteien bei Vertragsschluss entweder davon ausgegangen sind, der variable Zins könne nicht negativ werden oder sie angenommen haben, dass ohnehin nur der Darlehensnehmer, nicht aber der Darlehensgeber zu Zinszahlungen verpflichtet sein könne.
Click zum BGH | Presseerklärung Nr. 078/2023 vom 9. Mai 2023