Geständnisse haben Vorteile: Im Strafrecht kann die Justiz die weitere Beweissuche lassen und der Gestehende auf eine niedrigere Strafe hoffen. Kompliziert wird’s, wenn es sich der Angeklagte anders überlegt und das Geständnis widerruft. Noch komplizierter wird es, wenn der Angeklagte bereits auf Basis des Geständnisses zur Strafe XY verurteilt wurde, es ein weiteres – zivilrechtliches – Verfahren gegen den nun Verurteilten gibt und dieser das Geständnis aus dem Strafprozess im Zivilprozess widerruft. Wie soll das Zivilgericht damit umgehen?
DER SACHVERHALT
Der Kläger K investierte 2012 und 2013 in ein Kapitalanlagemodell der XY AG. Angeblich wurde er dabei Eigentümer einer bestimmten Anzahl Teakbäumen in Costa Rica. Nach zwanzig Jahren nachhaltiger Pflege würden die Bäume gefällt und veräußert; aus dem Verkaufserlös des Holzes sollte an die Anleger eine steuerfreie Rendite fließen – hieß es. Tatsächlich beruhte das Konzept auf Betrug. Nach einer Strafanzeige 2014 stellte die AG ihren Vertrieb ein. Damit einher ging deren Insolvenz. Der Initiator und alleinige Vorstand der XY AG – einschlägig vorbestraft – wurde unter anderem wegen des Vertriebs der Teakbäume rechtskräftig wegen gewerbsmäßigem Betrug verurteilt.
K verlangt nun Schadensersatz von dem Beklagten B, nennen wir ihn Sigi, dieser selbst nicht direkt in der XY AG tätig. Der Vorwurf im Strafverfahren: Beihilfehandlungen zu den Betrugstaten des Initiators und Alleinvorstands. So sollte B – mit Wissen des Anlagebetrugs – dem Vorstand zu einer Anschubfinanzierung verholfen, Büroräume zur Verfügung gestellt sowie diesen bei Vertrieb, Mitarbeitersuche, Erwerb und Gründung ausländischer Gesellschaften unterstützt haben. Finanzielle Vorteile aus dem Anlagemodell hatte B nicht erhalten. B hatte gegenüber der Staatsanwaltschaft und in der Hauptverhandlung eine schriftliche „persönlichen Erklärung“ abgegeben, welche als Geständnis gewertet wurde. Daraufhin wurde er wegen Beihilfe zu o.g. Betrug rechtskräftig verurteilt.
In Zivilverfahren widerrief Sigi sein Geständnis. Er gab an, den Betrugscharakter des Anlagemodells nicht gekannt zu haben. Die schriftliche Erklärung, durch seinen Strafverteidiger vorformuliert, habe er nur deshalb abgegeben, um aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden. Die ersten beiden zivilrechtlichen Instanzen hatten trotzdem eine deliktische Haftung des B (§§ 823 Abs. 2 BGB, 830 BGB i.V.m. §§ 263 Abs. 1, 27 StGB) bejaht. Die Besonderheit: Es fand keine eigene Beweisaufnahme statt, das Zivilurteil stützte sich auf die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung. B hat beim BGH Revision eingelegt.
DAS URTEIL DES BGH
Der Fall ist komplex, besonders weil es zwei parallele Verfahren mit jeweils eigenen Regeln gibt: Straf- und Zivilverfahren.
Darf ein Zivilrichter Feststellungen aus dem Strafprozess eins zu eins übernehmen?
Nicht ohne weiteres: Eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung einer Partei sei im Zivilverfahren nicht bindend, auch wenn die Akten des Verfahrens und ein rechtskräftiges Strafurteil grundsätzlich als Beweisurkunden herangezogen werden könnten, auf die der Tatrichter dann seine Überzeugung stützen könne. Ein Zivilrichter müsse sich seine Überzeugung im Rahmen freier Beweiswürdigung selbst bilden; an einzelne Tatsachenfeststellungen des Strafurteils sei er nicht gebunden. Allerdings könne bei einem engen rechtlichen und sachlichen Zusammenhang von Zivil- und Strafverfahren ein rechtskräftiges Strafurteil nicht unberücksichtigt bleiben. Soweit dessen Feststellungen für die eigene Beweiswürdigung von Bedeutung seien, müsse ein Zivilgericht sich damit auseinandersetzen.
Gilt ein strafrechtliches Geständnis automatisch auch im Zivilverfahren?
Gesteht der Gegner im Zivilverfahren vom Anspruchsteller behauptete Tatsachen im Laufe des Rechtsstreits zu, müssen diese nicht mehr bewiesen werden; sie gelten als zugestanden, sog. gerichtliches Geständnis gem. § 288 ZPO.
Ein Geständnis in Strafverfahren hat jedoch nicht die Wirkung der §§ 288, 290 ZPO. Heißt konkret: Eine Beweiserhebung erübrigt sich nicht ohne weiteres. Das strafrechtliche Geständnis ist lediglich im Rahmen der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO als Indiz für die zugestandenen Tatsachen zu berücksichtigen. Nur im Einzelfall kann es so große Beweiskraft entfalten, dass es zur richterlichen Überzeugungsbildung selbst dann ausreicht, wenn es widerrufen wurde und die beweisbelastete Partei keine weiteren Beweismittel gebracht hat.
Ein Zivilrichter darf in der Regel nicht strafgerichtlichen Feststellungen folgen und dem Beklagten auch nicht die (primäre) Darlegungs- und Beweislast aufbürden, dass ein strafprozessuales Geständnis, das im Zivilverfahren widerrufen wird, nicht der Wahrheit entspreche.
Was heißt dies nun für die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast nach einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung?
Wenn ein Kläger durch Vorlage eines ausführlich begründeten rechtskräftigen Strafurteils den Anspruch schlüssig dargelegt hat, erhöht sich nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts die (sekundäre) Darlegungslast des Beklagten. Um dieser nachzukommen, muss der Beklagte aber nicht das Gesamtgeschehen schildern. Es genügt, wenn er einzelne, den geltend gemachten Anspruch tragende Behauptungen des Klägers herausgreift und diese bestreitet. Denn eine Partei genügt grundsätzlich ihren Substantiierungspflichten, wenn sie Tatschen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das von der anderen Seite geltend gemachte Recht als nicht bestehend erscheinen zu lassen. Hierbei ist irrelevant, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder auf Schlussfolgerung aus Indizien beruht.
Im entschiedenen Fall hatte nach Ansicht des BGH der Kläger K schlüssig vorgetragen. Wegen seiner gesteigerten Erwiderungslast musste der Beklagte B deshalb nicht nur auf Indizien und Umstände eingehen, auf denen die Beweiswürdigung des Strafurteils zur subjektiven Tatseite beruhte, sondern auch auf seine Beweggründe zur Abgabe einer angeblich unrichtigen Einlassung. Dies hat B im entschiedenen Verfahren getan. Die Beweislast, dass das Geständnis richtig war, lag nun wiederum bei K.
Deshalb hätte über den Gehilfenvorsatz des B Beweis erhoben werden müssen. Diese ist nicht erfolgt. Vielmehr hatte die Vorinstanz, das OLG, angenommen, B habe sich nicht ausreichend substantiiert verteidigt und allein aufgrund des klägerischen Vortrags, der sich auf die strafrechtliche Verurteilung bezog, den Vorsatz ohne Beweisaufnahme bejaht.
Der BGH hat das OLG-Urteil aufgehoben und ans OLG zurückverwiesen. Die Beweisaufnahme ist dort nun nachzuholen.