Kirche oder Windrad? Fragte man den Papst, wäre die Antwort wohl klar. Die Greifswalder Richter sehen das anders: Denkmalschutz werde durch das Erneuerbare-Energien-Vorhaben nicht beeinträchtigt. Sowohl/als auch lautet die Antwort.
Der Fall
Die Klägerin, ein Windenergieunternehmen, beantragte eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Bau einer Windenergie-Anlage in einer Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern.
Gut zu wissen: Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung schließt andere öffentlich-rechtliche Genehmigungen grundsätzlich mit ein / Konzentrationswirkung § 13 BImSchG.
Zuständig für die Genehmigung war das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg, kurz StALU.
Das am Verfahren beteiligte Landesamt für Kultur und Denkmalpflege (LAKD) äußerte Bedenken; Denkmäler in der Umgebung könnten beeinträchtigt werden, und zwar optisch. Es argumentierte, dass raumwirksam in Erscheinung tretende bzw. auf Fernwirkung angelegte Baudenkmale wie Kirchen, Windmühlen, Burg- und Festungsanlagen, Park-, Guts- und Schlossanlagen, Gutshäuser und Schlösser nicht nur hinsichtlich ihrer Substanz, sondern auch in Bezug auf ihre Ausstrahlungswirkung in die Umgebung vor erheblicher Beeinträchtigung durch Windkraftanlagen zu bewahren seien.
Konkret: Es befand Windräder für hässlich und befürchtete, die Umgebung werde durch das EE-Projekt verschandelt.
Die Genehmigungsbehörde hegte wohl eine gewisse Sympathie für die Argumentation des LAKD, denn sie forderte von der Antragstellerin mehrere Ergänzungen und Überarbeitungen des Antrags, inklusive Visualisierungen, um die Auswirkungen auf die Denkmäler besser beurteilen zu können. Obwohl die Klägerin jeweils die gewünschten Unterlagen beibrachte, wurde die beantragte Genehmigung nicht erteilt. Verzögerungstaktik?
23 Monate nach Antragstellung erhob die Klägerin Untätigkeitsklage.
Das Urteil
Das Gericht gab der Klägerin recht. Über den Antrag nicht zu entscheiden, war rechtswidrig. Die Genehmigungsbehörde wurde verurteilt, nicht unbesehen dem LAKD zu folgen, vielmehr die Angelegenheit selbst zu bewerten, um dann auf dieser Grundlage zu entscheiden.
Die Behörde sei nicht an die fachliche Beurteilung durch das Landesamt gebunden, das nur eine beratende Funktion habe. Die Genehmigungsbehörde müsse die fachliche Einschätzung, inklusive denkmalschutzrechtlicher Bedenken des LAKD zwar prüfen, letztlich aber selbst entscheiden, ob die Genehmigung erteilt werde.
Weiter gab das Gericht der Genehmigungsbehörde mit auf den Weg, dass sie seine Rechtsauffassung zu berücksichtigen habe. Und diese lautete: Denkmalschutz ist kein ausreichender Grund, die Genehmigung zu verweigern. Die Belange des Denkmalschutzes wiegen nicht schwerer als die Interessen an der Nutzung erneuerbarer Energien. Das geschützte Denkmal sei durch die Windenergieanlage nicht negativ beeinträchtigt.
Das OVG hebt besonders § 2 Satz 1 EEG (EEG 2014) hervor.
§ 2 Besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien
Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.
Es liege auf der Hand, so das OVG, dass das gesetzgeberische Anliegen, Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien nur dann greifen könne, wenn § 2 EEG im Einzelfall anwendbar und nicht bloß eine Art Programmsatz für die Exekutive sei. § 2 Satz 2 EEG führe als Sollbestimmung bei Güterabwägung regelmäßig dazu, dass die Erneuerbaren Energien höher zu bewerten seien. Nur in Ausnahmefällen mit guter Begründung – individuell fachlich – sei dies nicht der Fall.
Mit anderen Worten: EE-Projekte haben Vorrang. Andernfalls wird das nichts mit der Energiewende.