Wertpapierprospekte: neue Regeln im Anmarsch

EU-Prospektverordnung 2017/1129

Was haben Porto und Prospekte gemeinsam? Neuerungen im Juli 2019. Zehn Cent mehr kostet nun ein Standardbrief. Grundlegend neu geregelt wird das Wertpapierprospektrecht: durch die EU-Prospektverordnung. Was ändert sich für Emittenten?

Wer bei der Lektüre von Prospekten die Spannung eines skandinavischen Krimis erwartet, wird wohl enttäuscht. Mehrere hundert Prospektseiten sind wahrscheinlich eher zäh als fesselnd. Dies zu ändern, ist nur eines der Ziele der neuen Prospektverordnung.

Wo ist Prospektrecht geregelt?

Emittenten von Wertpapieren müssen vor dem öffentlichen Angebot Publikationspflichten beachten. In der Regel ist ein Prospekt nötig, der Chancen und Risiken darstellt, in Ausnahmefällen genügt ein Wertpapier-Informationsblatt | WIB; unterschreitet die Emission die Marke € 100.000,00 bedarf es gar keiner Publikation. Prospekt und WIB sind vor ihrer Veröffentlichung durch die BaFin zu billigen.

Bisher, konkret bis zum 20. Juli 2019, galt für Erstellung und Billigung von Prospekten ausschließlich das WpPG. Es hatte die Prospektrichtlinie | Richtlinie 2003/71/EG in Deutschland umgesetzt.

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Am 21. Juli 2019 tritt nun die EU-Prospektverordnung in Kraft. Sie gilt direkt in den europäischen Mitgliedstaaten, ohne dass eine Umsetzung in nationales Recht nötig ist. Sie ersetzt in weiten Teilen die bisherigen Regeln des WpPG. Dieses ergänzt fortan die EU-Prospektverordnung. Sein Regelungsgehalt beschränkt sich insbesondere auf Ausnahmen von der Prospektpflicht, Normen zum WIB, zur Prospekthaftung und zu Befugnissen der BaFin bei der Ahndung von Verstößen.

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Drei Ziele der EU-Prospektverordnung

Ziel 1

Übersichtlicher und besser verständlich, lautet eines der Ziele. Zusammenfassungen sollen kompakte Informationen liefern.

Ziel 2

Der Zugang zum Kapitalmarkt soll für Unternehmen erleichtert werden. Erreicht werden soll dies, indem der Aufwand für die Prospekterstellung reduziert wird. Konkret heißt das, die Schwellen, ab denen ein Prospekt erforderlich ist, werden erhöht und Anforderungen an den Prospekt werden vermindert. Dies gilt besonders für KMU und für Sekundäremissionen, sprich für die Ausgabe zusätzlicher Wertpapiere durch ein Unternehmen.

Ziel 3

Als direkt anwendbares Regelwerk trägt die Verordnung zu einem einheitlichen Kapitalmarkt bei. Dies sorgt für Harmonisierung in der aufsichtsrechtlichen Praxis.

Was sind Wertpapiere?

Nach Art. 2 lit. a) EU-Prospektverordnung sind Wertpapiere 

  • übertragbare Wertpapiere im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 der Richtlinie 2014/65/EU 
  • mit Ausnahme von Geldmarktinstrumenten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 der Richtlinie 2014/65/EU
  • mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten.

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Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 der Richtlinie 2014/65/EU bezeichnet den Begriff „übertragbare Wertpapiere“ als die Kategorien von Wertpapieren, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, wie

  • Aktien und andere Anteile an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende Wertpapiere sowie Aktienzertifikate;
  • Schuldverschreibungen oder andere verbriefte Schuldtitel, einschließlich Zertifikaten (Hinterlegungsscheinen) für solche Wertpapiere;
  • alle sonstigen Wertpapiere, die zum Kauf oder Verkauf solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die anhand von übertragbaren Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen oder -erträgen, Waren oder anderen Indizes oder Messgrößen bestimmt wird.

Kurz gefasst: Wertpapiere sind übertragbare, am Kapitalmarkt handelbare Wertpapiere.

Inhaltliche Anforderungen an Prospekte

Ein Prospekt muss die erforderlichen Informationen enthalten, die für den Anleger wesentlich sind, um sich ein fundiertes Urteil über folgende Punkte bilden zu können:

  • Die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Gewinne und Verluste, die Finanzlage und die Aussicht des Emittenten und eines etwaigen Garantiegebers, 
  • die mit den Wertpapieren verbundenen Rechte und
  • die Gründe für die Emission und ihre Auswirkungen auf den Emittenten.

 Art. 13 EU-Prospektverordnung enthält Mindestangaben. Art. 7 EU-Prospektverordnung fordert eine Zusammenfassung mit Basisinformationen, d.h. eine Prospektzusammenfassung auf höchstens sieben DIN-A 4-Seiten. Weitere Anforderungen finden sich in delegierten Verordnungen der EU 2019/979 sowie 2019/980, jeweils vom 14. März 2019. 

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Ausnahmen von der Prospektpflicht

Die EU-Prospektverordnung hat die Schwellenwerte für die Prospektpflicht angehoben, um Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern.

Die Verordnung nennt folgende Ausnahmen:

  • Art. 1 Abs. 2 EU-Prospektverordnung: Auf bestimmte Arten von Wertpapieren ist die EU-Prospektverordnung nicht anwendbar. 
  • Art. 1 Abs. 3 EU-Prospektverordnung: Kleinstemissionen, d.h. Emissionen von weniger als 1 Mio. € Jahresvolumen sind ebenfalls von der Pflicht befreit. 
  • Art. 1 Abs. 4 EU-Prospektverordnung: Diese Ausnahme gilt für bestimmte Arten öffentlicher Angebote. Beispiele sind Angebote, die sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richten. Auch Angebote an nicht qualifizierte Anleger können ohne Prospekt erfolgen, wenn sie sich an weniger als 150 natürliche oder juristische Personen pro Mitgliedstaat richten. Gleiches gilt – kein Prospekt nötig – etwa bei einer Mindeststückelung des Angebots von 100.000 €.
  • Art. 1 Abs. 5 EU-Prospektverordnung: Auf die Zulassung bestimmter Instrumente ist die EU-Prospektverordnung ebenfalls nicht anwendbar. Die genannten Instrumente sind von der Prospektpflicht ausgenommen, etwa wenn diese mit bereits zum Handel zugelassenen Wertpapieren austauschbar („fungibel“) sind und über einen Zeitraum von 12 Monaten weniger als 20 % der bereits emittierten Wertpapiere ausmachen.
  • Art. 3 Abs. 2 EU-Prospektverordnung in Verbindung mit § 3 WpPG: Die EU-Staaten dürfen Ausnahmen von der Prospektpflicht zulassen, wenn das Jahresvolumen der Emission 8 Mio. € nicht überschreitet. Deutschland hat von dieser Befugnis in § 3 WpPG Gebrauch gemacht. 

Liegt eine der Ausnahmen vor, ist kein Prospekt nötig. Ob stattdessen ein WIB zu erstellen ist, ist eine andere Frage. 

Beachte: Selbst wenn keine Prospektpflicht besteht, kann der Anbieter dies freiwillig tun | Opt-in-Regelung in Art. 4 EU-Prospektverordnung.

Click zur BaFin | Fachartikel: Neue Regeln für Wertpapierprospekte

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