Wird in Österreich die Nummer 122 gewählt, kommt die Feuerwehr. Bei Kennern des deutschen Anfechtungsrechts klingeln bei der Zahl ebenfalls die Alarmglocken. Nicht weil es brennt, sondern weil der finanzielle Schaden beträchtlich sein kann.


Wer eine Willenserklärung wegen Irrtums anficht, muss seinem Vertragspartner den Vertrauensschaden ersetzen. Ein Vertrag ist schnell geschlossen – sei es mündlich, schriftlich oder digital. Doch was passiert, wenn sich eine Partei bei der Abgabe ihrer Willenserklärung irrt? Das BGB sieht in § 122 eine besondere Regelung vor, die für beide Seiten eines Vertrags erhebliche Folgen haben kann.
Was regelt § 122 BGB konkret?
§ 122 BGB betrifft den Schadensersatz nach erfolgter Anfechtung. Wird eine Willenserklärung – etwa ein Angebot oder eine Annahme – wegen Irrtums gemäß § 119 BGB angefochten, verpflichtet § 122 BGB die anfechtende Partei zum Ersatz des Vertrauensschadens.
Vertrauensschaden bedeutet: Die andere Partei durfte darauf vertrauen, dass der Vertrag zustande kommt und kann Ersatz für Nachteile verlangen, die sie im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrags erlitten hat.
Praktisches Beispiel
Ein Unternehmer bietet ein Produkt zu einem zu niedrigen Preis an, weil ein Tippfehler im Online-Shop vorliegt. Der Kunde bestellt sofort. Der Unternehmer ficht den Vertrag wegen Irrtums an (§ 119 BGB). Laut § 122 BGB muss er dem Kunden nun den Schaden ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass der Kunde auf die Lieferung vertraut hat, etwa Kosten für die Weiterverarbeitung.
Voraussetzungen des § 122 BGB
• Die Willenserklärung muss wirksam angefochten worden sein.
• Die Anfechtung muss auf einem Irrtum beruhen (§ 119 BGB).
• Der Schaden muss kausal auf das Vertrauen in die Gültigkeit der Erklärung zurückzuführen sein.
Was ist nicht ersatzfähig?
Nicht ersetzt wird der sogenannte Erfüllungsschaden: der Gewinn, den die andere Partei aus dem Vertrag erwartet hätte. § 122 BGB schützt nur das Vertrauen, nicht die Vertragserfüllung. Die Haftung ist also begrenzt („nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere […] an der Gültigkeit der Erklärung hat„).
Nach § 122 Abs. 2 BGB entfällt die Schadensersatzpflicht, wenn der Geschädigte den Anfechtungsgrund kannte oder kennen musste.
Fazit für Vertragspartner
Für Anfechtende: Eine Anfechtung wegen Irrtums kann teuer werden. Prüfen Sie deshalb sorgfältig, ob eine Anfechtung wirklich notwendig ist.
Für Empfänger: Wenn Sie auf eine Willenserklärung vertrauen, haben Sie unter Umständen Anspruch auf Ersatz, jedoch nur den Vertrauensschaden.