Waldeigentümer lachen sich einen Ast. Zumindest in Thüringen. Dort war es bislang gesetzlich verboten, Waldflächen für Windenergie zu nutzen. Urteil der Obersten Verfassungsrichter: nichtig!
Der Fall
Wer in Thüringen im Wald eine Windenergieanlage bauen möchte, weil er Ökostrom erzeugen will, braucht eine behördliche Genehmigung. Wofür? Für die Rodung der Fläche und für die Änderung der Nutzungsart von Wald- zu Windenergiefläche. Hier geht es allein um die Standortfrage. Andere mögliche Genehmigungen werden nicht betrachtet. Diese Genehmigung würde er aber niemals erhalten. Denn das Thüringer Waldgesetz | ThürWaldG, dort § 10 Abs. 1 Satz 2, verbietet das:
Das Verbot wurde erst vor zwei Jahren, im Dezember 2020 eingeführt. Ein absolutes Verbot. Ohne Wenn und Aber.
Rund ein Drittel der Fläche Thüringens ist mit Wald bedeckt. Von diesem Drittel wiederum ist nur ein Fünftel in Takt. Bei einem Großteil handelt es sich in Folge von Sturm oder Schädlingsbefall um sog. Kalamitätsflächen. Bedeutet, dass die Waldgebiete nicht oder nur sehr eingeschränkt forstwirtschaftlich genutzt werden können. Trotzdem gelten auch diese Flächen als Wald.
Eine rein formalistische Betrachtung. Die tatsächlichen Verhältnisse bleiben außen vor. Ob der Wald von Schädlingen befallen, von Sturmschäden gezeichnet oder gar schon abgeholzt ist: Zählt nicht. Wo Wald draufsteht, ist auch Wald drin! Es kommt allein darauf an, ob die Fläche rechtlich als Wald gilt. Dies ist wie gesagt in Thüringen bei 34 % der Fläche der Fall. Auch für diese – für Fortwirtschaft unbrauchbaren – Flächen gilt das Verbot, weil absolut. Gegen dieses absolute Verbot wandten sich Eigentümer von, teils maroden, Waldflächen mit ihrer Verfassungsbeschwerde. Die Beschwerdeführer planen, Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben. Durch das Verbot sehen sie sich insbesondere in ihrem Eigentumsgrundrecht verletzt, weil sie ihre Grundstücke nicht wirtschaftlich nutzen können.
Ist Thüringen mit seiner Regelung auf dem Holzweg?
Der Beschluss
Ja, Thüringen ist zu weit gegangen. Die Karlsruher Richter gaben den Waldeigentümern recht: Das absolute Verbot in § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ist mit dem Grungesetzt unvereinbar und daher nichtig. Insbesondere verletzt es das Grundrecht auf Eigentum, Art. 14 Abs. 1 GG.
Dem Land Thüringen fehlte die Gesetzgebungskompetenz. Es hätte die Regelung nicht erlassen dürfen, sie ist formell verfassungswidrig.
Wieso das?
Die im Fokus stehende Norm gehört zum Bodenrecht. Und für Bodenrecht ist der Bund zuständig, im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz | Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Hierbei dürfen die Bundesländer nur dann Gesetze zu erlassen, wenn der Bund es nicht tut | Art. 72 Abs. 1 GG.
Im Bodenrecht hat der Bundesgesetzgeber aber von seinem Recht Gebrauch gemacht. Im BauGB hat er geregelt, dass Windenergieanlagen im Außenbereich – wozu der Wald zählt – privilegiert, sprich zulässig sind. Juristisch denkbar wäre auch gewesen, das generelle Verbot dem Bereich „Naturschutz und Landschaftspflege“ – Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG – zuzuordnen. Als Folge wäre es Thüringen formell erlaubt gewesen, eine vom Bodenrecht abweichende Regel zu treffen, 72 Abs. 3 Nr. 2 GG. Die Karlsruher Richter haben sich aber ganz klar für das Bodenrecht ausgesprochen. Heißt: Der Bund ist zuständig und sonst keiner.
Was bedeutet der Beschluss für Windkraft im Wald?
Der Karlsruher Beschluss hat über die Grenzen Thüringens hinaus Signalwirkung. Denn er zeigt deutlich, welch Bedeutung die höchsten Verfassungsrichter dem Klimaschutz beimessen. Unabhängig davon wird es künftig für die Länder noch schwieriger, Windkraftanlagen aus dem Wald herauszuhalten. Denn das Wind-an-Land-Gesetz | WaLG tritt am 1. Februar 2023 in Kraft. Es verpflichtet die Bundesländer, zwei Prozent ihrer Fläche bis zum Jahr 2032 für Windkraft zur Verfügung zu stellen.
Click zum Bundesverfassungsgericht | Beschluss vom 27. September 2022 – 1 BvR 2661/21
Click zum Bundesverfassungsgericht | Pressemitteilung Nr. 88/2022 vom 10. November 2022