Hell, dunkel, gar nicht – Wie grün ist mein Unternehmen

Mit Taxonomie und Offenlegung zur Klimaneutralität in der EU?

2050. Bis dahin soll das Ziel erreicht sein. Maßnahmen, ob weltweit oder europäisch, gibt es viele: Pariser Klimaschutzabkommen, europäischer Green Deal inkl. Fit for 55. Welchen Beitrag sollen die EU-Verordnungen zu Taxonomie und Offenlegung dabei leisten?

Taxonomie-Verordnung als Grüne Liste

Ziele und Inhalt

Die Taxonomie-Verordnung will ein System in der EU bieten, das bewertet, ob und wie nachhaltig wirtschaftliche Aktivitäten und Investitionen sind. Letztlich geht es darum, Kapital in nachhaltige Projekte zu lenken und Greenwashing – falsche Darstellung als ökologisch nachhaltig – einen Riegel vorzuschieben.

Die zentralen Fragen: Leisten Unternehmen einen grünen Beitrag und wie groß ist dieser?

Der Gedanke: Investoren bekommen Entscheidungshilfe und Unternehmen Anreize, ökologisch zu wirtschaften.

Click zur Taxonomie-Verordnung | Verordnung (EU) 2020/852

Es gibt drei Typen von Aktivitäten:

  • co2-arme | low carbon activities
  • Übergangsaktivitäten | transitional activities
  • ermöglichende | enabling activities

Co2-arme Aktivitäten tragen wesentlich dazu bei, die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem unproblematischen Niveau zu stabilisieren. Eine gefährliche, von Menschen gemachte Störung des Klimasystems soll verhindert werden | Art. 10 Abs. 1.

Übergangsaktivitäten sind selbst nicht co2-arm, momentan aber alternativlos, weil eine technologisch und wirtschaftlich durchführbare co2-arme Lösung fehlt. Immerhin unterstützen sie den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft | Art. 10 Abs. 2.

Ermöglichende Aktivitäten – der Begriff steht tatsächlich so in der deutschen Fassung – leisten einen wesentlichen Beitrag zu einem oder mehreren Umweltzielen, indem sie es wiederum anderen Tätigkeiten ermöglichen, einen wesentlichen Beitrag hierzu zu leisten | Art. 16.

Neben den Aktivitäten legt die Taxonomie-Verordnung sechs Umweltziele fest | Art. 9:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Zwischen den Unternehmensaktivitäten und den Umweltzielen gilt das DNSH-Prinzip | Do no significant harm: Eine unternehmerische Aktivität ist nur dann taxonomiekonform, wenn sie mindestens einem Ziel dient, ohne die anderen zu beeinträchtigen.

Für wen gilt die Taxonomie-Verordnung?

Die Verordnung gilt nach Art. 1 Abs. 2 für

  • von den Mitgliedstaaten oder der Union verabschiedete Maßnahmen zur Festlegung von Anforderungen an Finanzmarktteilnehmer oder Emittenten im Zusammenhang mit Finanzprodukten oder Unternehmensanleihen, die als ökologisch nachhaltig bereitgestellt werden;
  • Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen
  • Unternehmen, für die die Verpflichtung gilt, eine nichtfinanzielle Erklärung oder eine konsolidierte nichtfinanzielle Erklärung nach Artikel 19a bzw. Artikel 29a der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (Bilanzrichtlinie) zu veröffentlichen.

Nichtfinanzielle Erklärungen sind Angaben außerhalb der Rechnungslegung, die sich auf Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange beziehen. Im Moment gilt die Taxonomie-Verordnung für große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitern. Sie müssen in einem nicht finanziellen Reporting darlegen, wie nachhaltig sie wirtschaften und wie sich ihre Geschäftstätigkeiten auf Umwelt, Klima und Soziales auswirken. Die Berichtspflicht soll ab dem Geschäftsjahr 2026 auch für kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen gelten.  

Die Verordnung gilt also für Unternehmen der Finanzwirtschaft und der Realwirtschaft.

Delegierte Rechtsakte | weitere Verordnungen

Ergänzt wird die Taxonomie-Verordnung durch sog. delegierte Rechtsakte. Im europäischen Gesetzgebungsverfahren befinden sich diese hierarchisch eine Stufe unter der Verordnung, auf Level 2.

Bislang (Stand 13. Januar 2023) gibt es drei delegierte Rechtsakte, und zwar zu:

  • Klimaschutz und Anpassung an Klimawandel | Climate delegated Act
  • Transparenz | Disclosures Delegated Act
  • Gas und Kernkraft | Complementary Climate Delegated Act

Click zum Stand der Delegierten Rechtsakte

Der Delegierte Rechtsakt zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel definiert technische Bewertungskriterien für Wirtschaftstätigkeiten, die einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel leisten können. In Kraft ist er seit dem 1. Januar 2022.

Click zur Delegierten Verordnung (EU) 2021/2139

Unternehmen müssen unter anderem öffentlich machen, wie und in welchem Umfang sie ökologisch nachhaltig wirtschaften. Dies ergibt sich aus Art. 8 Taxonomie-Verordnung, ergänzt durch den Delegierten Rechtsakt Transparenz. Der Delegierte Rechtsakt ist ebenfalls seit dem 1. Januar 2022 in Kraft.

Click zur Delegierten Verordnung (EU) 2021/2178

Der dritte Delegierte Rechtsakt nimmt bestimmte Tätigkeiten bei Gas und Kernkraft in den Kreis ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten auf. In Kraft ist er seit 15. Juli 2022.

Click zur Delegierten Verordnung (EU) 2022/1214

Taxonomie-Kompass

Um die Inhalte der Verordnung übersichtlicher darzustellen, wurde der Taxonomie-Kompass entwickelt. Eine visuelle Darstellung, um einem breiten Publikum einen leichten, barrierearmen Zugang verschaffen – so der Gedanke. Nutzer sollen über ein IT-Tool prüfen können, welche ihrer Aktivitäten taxonomiefähig sind und welche Kriterien erfüllt sein müssen.

Click zum Taxonomie-Kompass

Inkrafttreten und zeitliche Anwendbarkeit

In Kraft getreten ist die Verordnung am 12. Juli 2020 | Art. 27. Bei der Anwendbarkeit gelten unterschiedliche Zeitpunkte:

  • 1. Januar 2022: Die Verordnung ist für die ersten beiden Umweltziele (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) anwendbar.
  • 1. Januar 2023: Die Verordnung gilt für die weiteren vier Ziele.

Offenlegungs-Verordnung

In einem Atemzug mit der Taxonomie-Verordnung ist die Offenlegungs-Verordnung zu nennen, größtenteils anwendbar seit dem 10. März 2021.

Click zur Offenlegungs-Verordnung | (EU) 2019/2088

Unternehmen müssen bestimmte Informationen zur Nachhaltigkeit von Finanzprodukten offenlegen, um privaten und institutionellen Investoren Anlageentscheidungen zu erleichtern.

In die Pflicht genommen werden Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater. Wer Finanzmarktteilnehmer ist, verrät Art. 1 Offenlegungs-Verordnung. Beispiele sind

  • Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte anbieten,
  • Wertpapierfirmen, die Portfolioverwaltung erbringen,
  • Hersteller von Altersvorsorgeprodukten,
  • bestimmte Fondsverwalter und Kreditinstitute, die Portfolioverwaltung erbringen.

Zu den Finanzberatern zählen insbesondere Versicherungsvermittler oder -unternehmer, die Versicherungsberatung für IBIP (insurance-based investment product |Versicherungsanlageprodukt) erbringen oder Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, die Anlageberatung anbieten.

Die Finanzunternehmen müssen danach die Nachhaltigkeit ihrer Angebote transparent machen, etwa auf ihren Internetseiten, in vorvertraglichen Informationen, regelmäßigen Berichten und Marketingmitteilungen. Ein Unternehmen darf demnach nicht einfach behaupten, dass das eigene Produkt oder die eigene Aktivität nachhaltig ist. Vielmehr muss offengelegt werden, wie taxonomiekonform investiert wird.

Um dies besser beurteilen zu können, werden ESG-Kennzahlen herangezogen:

Die Anwendbarkeit der Offenlegungs-Verordnung ist zeitlich gestaffelt. Die meisten Regelungen sind seit dem 10. März 2021 anwendbar. Durch die Taxonomie-Verordnung (Art. 25) wurde die Offenlegungsverordnung geändert. Seit 1. Januar 2022 gelten für bestimmte Finanzprodukte zusätzliche vorvertragliche und periodische Informationspflichten. Für alle Finanzprodukte, die nicht unter die Offenlegungsverordnung fallen, verlangt die Taxonomieverordnung dann einen Warnhinweis. Die Informationspflichten zu Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel setzen am 1. Januar 2022 ein, für die übrigen Umweltziele ein Jahr später, am 1. Januar 2023.

Ebenfalls ergänzt wird die Offenlegungs-Verordnung durch eine delegierte Verordnung vom 6. April 2022, anwendbar seit 1. Januar 2023. Dort enthalten sind die technischen Regulierungsstandards (RTS). Diese legen Inhalt, Methodik und Art der Darstellung der offenzulegenden Informationen fest. Mit den RTS sollen Qualität und Vergleichbarkeit der offenzulegenden Informationen verbessert werden.

Click zur Delegierten Verordnung (EU) 2022/1288

Wie sich die Verordnungen praktisch bewähren, wird sich zeigen.